Murks garantiert die neue Planwirtschaft
Ein Artikel aus der Zeitschrift SCHROT&KORN vom 06.01.2012
zur Website von Schrot&Korn
Wenn meine Eltern mal nicht wissen, was sie meiner Frau zum Geburtstag schenken sollen, gibt es einen sicheren Tipp: Strümpfe. Nicht dass meine Frau die
sammelt. Aber sie braucht ständig neue. Denn auch die teuersten und schönsten gehen schneller kaputt als eine Ehe von Lothar Matthäus. Seit Kurzem
weiß ich, warum. Beim Zappen blieb ich an der akribisch recherchierten Arte-Fernsehdokumentation
"Kaufen für die Müllhalde"
hängen, die mir (unter anderem) das mit den Strümpfen mal so richtig erklärte.
Ende der 30er-Jahre hatten Chemieingenieure aus den USA die ersten Damenstrümpfe aus Nylon entwickelt. Unkaputtbare Wunderteile, mit denen man
Autos abschleppen und Elefanten hätte erwürgen können. Die Ingenieure waren stolz, die Verkaufsleiter entsetzt. Denn wie hätte die Firma dauerhaft
Geld verdienen können, wenn die Kundinnen ein Leben lang mit ein, zwei Paaren ausgekommen wären? Die Ingenieure wurden gezwungen,
Zusatzstoffe aus dem Fasermix zu entfernen, die das Nylon vor dem zersetzenden Sonnenlicht schützten, und verringerten so die Lebensdauer
der Strümpfe dramatisch. Ein Bombengeschäft.
Das Bombengeschäft hat einen Namen: "Geplante Obsoleszenz" nennt man die Vorgabe, Produkte mit einer von vornherein
beschränkten Laufzeit herzustellen, damit sie immer wieder
neu gekauft werden müssen. So wie Drucker, die kurz nach Ablauf der Garantiezeit seltsame Fehlermeldungen anzeigen; Kühlschränke, die nach
zwei Jahren heizen statt zu kühlen; der iPod-Akku, der versagt und sich nicht mal auswechseln lässt. Und Reparaturen sind in der Regel teurer
als Neuanschaffungen. Dieser perfide Zwang zur Wegwerfgesellschaft ist leider (noch ...) völlig legal. Aber immer mehr Menschen wehren sich,
schreiben Protestbriefe an die Hersteller, tauschen in FacebookGruppen wie "Gegen geplante Obsoleszenz" oder auf Webseiten wie
murks-nein-danke.de
Reparaturtipps oder Programme, mit denen sich beispielsweise die in einigen Druckern eingebauten Selbstzerstörungschips austricksen lassen.
Eine Glühbirne, die seit 111 Jahren brennt
Angefangen hat das mit dem verharmlosend "Produktlebenszyklus" genannten Massenbetrug übrigens in den 20er-Jahren, als sich die großen
Glühbirnenhersteller der Welt insgeheim darauf verständigten, die Lebensdauer ihrer Leuchten auf 1000 Stunden zu begrenzen. Wie ein Mahnmal
hängt in der Feuerwehrwache von Livermore, Kalifornien, seit dem Jahr 1901 die wohl berühmteste Glühbirne der Welt. Sie brennt noch immer und
wird dabei von einer Webcam beobachtet, die alle dreißig Sekunden eine frische Aufnahme ins Internet schickt. Allerdings mit kurzen Unterbrechungen.
Denn während die Birne seit 111 Jahren hält, sind seit dem Start von
www.centennialbulb.org
schon zwei Webcams kaputt gegangen.
Weitere interessante Links:
Arte: Die geplante Obsoleszenz - oder warum die Produkte kaputt gehen 1/5
Arte: Die geplante Obsoleszenz - oder warum die Produkte kaputt gehen 2/5
Arte: Die geplante Obsoleszenz - oder warum die Produkte kaputt gehen 3/5
Arte: Die geplante Obsoleszenz - oder warum die Produkte kaputt gehen 4/5
Arte: Die geplante Obsoleszenz - oder warum die Produkte kaputt gehen 5/5